Mein Leben als Geschenk – Warum das nicht immer so war und welcher wunderbare Gedanke einen Unterschied machte

Mai 19, 2023 | Innenleben, Lebenselexiere

Mein Leben als Geschenk - Warum das nicht immer so war und welcher wunderbare Gedanke einen Unterschied machte mit einem Bild von einem Menschen, einem Geschenk einem Baum und einer Sonne

Eine Träne bahnte sich ihren Weg über die Wange meiner Freundin. Wir saßen auf ihrem Balkon in der Zürcher Innenstadt, auf dem kaum Platz war für unsere zwei Stühle und einen kleinen Tisch, auf dem unsere Getränke standen. Es war Abend und es wurde gerade dunkel, als sie sagte: „Ich will nicht sterben. Sie wischte sich die Träne aus dem Gesicht, die so viel in sich trug: Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit, die Angst vor dem schwarzen Vorhang am Ende, das Wissen, dass vielleicht doch nicht alles in dieses Leben passt, was sie sich vorgenommen hatte.

Das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben, kann trügerisch sein

Denn das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben, kann sich von einer Minute auf die andere in Luft auflösen, wenn der Arzt die K-Diagnose verkündet oder die Polizei anruft, weil die eigene Mutter einen schweren Autounfall hatte. Dann tritt die Dringlichkeit auf das Parkett und führt ihren hektischen Tanz auf. Die oft gebrauchten Sätze: „Das kann ich morgen machen”, „Ich habe jetzt keine Zeit” oder „Vielleicht nächstes Jahr, dieses Jahr passt es nicht” werden aus dem Wortschatz gestrichen.

Ich war als Zuschauerin dabei, als es meiner Freundin passierte. Deshalb kenne ich diesen Prozess nur von außen und kann ihn nicht hundertprozentig auf mein eigenes Leben übertragen. Obwohl ich weiß, dass mein Leben endlich ist, kann ich dieses Gefühl, dass noch Zeit ist, nicht ganz ausblenden. Denn ich habe noch Zeit. Zeit, in der ich vielleicht nicht alles tun kann, was ich mir wünsche. Aber vielleicht genug Zeit, um die Dinge zu erleben, die mir wirklich wichtig sind.

Was ist mir wirklich wichtig?

Meine Selbständigkeit als Coach war es jedenfalls nicht. Eigentlich war es meine ganze Selbständigkeit nicht. Aber das habe ich erst gemerkt, nachdem ich monatelang auf dem Sofa gesessen und auf einen Impuls für den nächsten Schritt gewartet hatte. Auch dann hat sich die Erkenntnis erst nach und nach entfaltet und ich bin sicher, dass ich noch viele Falten entdecken darf.

Was mir in den letzten Jahren seit dem Balkongespräch immer wichtiger geworden ist, sind die Momente. Momente, in denen ich mir vollkommen bewusst ist, wie gewaltig dieses Leben um mich herum ist. Wie komplex und doch einfach. Wie hässlich es an vielen Stellen ist und doch gleichzeitig das Schönste, was ich mir vorstellen kann. Gerade morgens, wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe, bin ich so oft überwältigt von der Großartigkeit des Lebens in all seinen Formen und Farben. Ja, ich empfinde mein Leben heute als Geschenk, aber das war nicht immer so und auch nicht immer einfach.

Meine Lebenszeit ist ein Geschenk, um das ich nicht gebeten habe

Obwohl ich nicht darum gebeten habe, habe ich meine Lebenszeit geschenkt bekommen. Es gab Phasen in meinem Leben, in denen ich nicht unbedingt dankbar dafür war. Da fühlte es sich eher wie ein Geschenk an, das man bekommt, weil es dem Schenkenden gefällt.

Wenn man es also genau betrachtet, haben meine Eltern sich selbst etwas geschenkt und nicht mir. Das würde aber auch bedeuten, dass ich ihr Geschenk war, und sicher gab es für sie Phasen (wenn auch sehr wenige), in denen ihnen ihr Geschenk nicht gefiel.

Dann gab es da Phasen, in denen sich meine geschenkte Lebenszeit anfühlte, wie eines dieser Geschenke, die zwar nett sind, mit denen ich aber nichts anzufangen weiß. Momente, in denen ich mein Geschenk in den Händen hielt und mir nur dachte: Und jetzt? Was soll ich damit anfangen?

Und es gab eine Phase (lange vor dem Abend in Zürich) in meinem geschenkten Leben, da hätte ich dieses Geschenk am liebsten umgetauscht. Weil es sich anfühlte, wie einer dieser kratzigen Wollpullover, die ich sofort wieder ausziehe, weil ich mich darin nicht wohl fühle. Doch diesen musste ich tragen.

Es war eine dunkle Zeit, daran erinnere ich mich. Die helleren, schöneren Momente meines Lebens kamen mir vor wie ein Irrtum des Universums. Ich war einfach unglücklich. Mein Leben gefiel mir nicht so, wie es war, und ich wusste nicht, wie ich es ändern sollte. Denn dass ich diejenige war, die es ändern konnte, war mir in diesen depressiven Phasen nicht bewusst.

Das Leben passiert nicht, es antwortet*

“Du warst immer unser Sonnenschein”, sagte mein Patenonkel einmal zu mir. Dieser Satz weckte in mir eine Erinnerung an ein Foto von mir. Vielleicht war ich auf dem Bild noch im Kindergarten. Ich saß auf einem Stuhl, hatte eine Sonnenbrille auf, ein Buch auf dem Schoß und grinste in die Kamera. Ich muss heute noch schmunzeln, wenn ich an diesen Moment denke. Ich war ein Sonnenschein, ohne es sein zu müssen. Das war meine Art, dem Leben zu begegnen.

Ich machte mich auf die Suche nach mir selbst und entdeckte, dass ich in meinem Leben viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten hatte, als ich mir selbst zugestand. Ich beendete mein Studium und traf endlich ein paar Entscheidungen, die mir gut taten. Einige davon führten mich schließlich nach Hamburg und direkt in die Arme meines jetzigen Mannes.

Ich war nicht in einem geschenkten Leben gefangen, ich hatte ein geschenktes Leben, aus dem ich das Leben machen konnte, das mir gefiel und zu mir passte. Es war nach vielen Jahren das erste Mal, dass der Gedanke „Ich will leben” in mir wieder bewusst nach Ausdruck suchte. Dieser Gedanke machte einen Unterschied. Etwas veränderte sich. Zuerst langsam und zögerlich. Wie damals, als ich Fahrradfahren ohne Stützräder lernte, und ich mehr „Fahrrad wackelte“ als Fahrrad fuhr.

Spielräume sind nicht immer ein Geschenk

Trotz aller Umsicht bin ich vom Fahrrad gefallen – und wieder aufgestiegen. Genauso haben sich nicht alle Entscheidungen, die ich getroffen habe, so ausgewirkt, wie ich es mir vorgestellt oder erhofft hatte. Die Entscheidung, mich selbstständig zu machen, begann zum Beispiel mit einem riesigen finanziellen Debakel. Leben heißt auch, Unsicherheit auszuhalten und trotzdem darauf zu vertrauen, dass die Antwort kommt. Dass der nächste Schritt kommt, auf dem Weg, den ich gerade erschaffe.

Es ist ein bisschen wie bei Harry Potter, als er zum ersten Mal auf Gleis neun dreiviertel steht. Zielstrebig soll er auf die Steinsäule zwischen Gleis neun und zehn zulaufen, im Vertrauen darauf, dass er nicht abprallt, sondern geradewegs hindurchgeht. Und es klappt. Später klappt es nicht, und er kracht mit seinem Gepäckwagen gegen die Wand.

So funktioniert es auch mit Gestaltungsspielräumen. Sie sind da und trotzdem klappt nicht immer alles auf Anhieb. Das heißt nicht, dass ich auf dem falschen Weg bin. Ich versuche es noch einmal, vielleicht ein bisschen anders. Und manchmal ist es die Haltung dahinter, die den Unterschied macht und mich die nächsten Schritte gehen lässt.

Mein Leben bekam eine andere Qualität

Eine ruhigere, friedlichere und vor allem demütigere Qualität. Ich begann zu begreifen, dass das Geschenk, das meine Eltern zuerst sich selbst und letztendlich auch mir machten, das schönste Geschenk war, das ich mir vorstellen konnte. Die Sonne kehrte in mein Leben zurück, und die dunklen Momente wurden genau das: Momente. Ja, es passieren schlimme Dinge und ja, sie machen mich traurig. Aber weißt du, was ich dank Johanna Macy (einer Umweltaktivistin, Autorin und Wissenschaftlerin für Buddhismus, allgemeine Systemtheorie und Tiefenökologie) verstanden habe? Die Traurigkeit, die ich empfinde, wenn schreckliche Dinge passieren, ist okay. Ich darf sie zulassen. Sie ist das Resultat meiner Liebe zu den Menschen, zu unserer Erde und zu dem Leben, das ich leben darf.

So konnte ich sie endlich zulassen und auch fühlen, die Liebe zum Leben. Ich konnte diese vibrierende Magie wahrnehmen, die alles zu einem Wunder macht, weil irgendwie alles zusammenpasst, sich ergänzt und bereichert. Auch wenn ich es meistens erst im Nachhinein begreifen kann. Ich bin dankbar, dass ich diese Magie, diese bedingungslose Liebe jeden Tag spüren darf. Sie wird mir geschenkt und ich bin ein Teil von ihr. Das Leben hat mich gewollt und das zeigt es mir in jeder Sekunde.

Noch mehr Tränen

Diesmal laufen sie mir über die Wange, während ich diesen Text schreibe. Sie spiegeln meine Rührung wider, meine Dankbarkeit, meine Liebe zum Leben. Gefühle, die mich überwältigen. Aber auch das Wissen um die Endlichkeit. Und auch wenn meine Freundin ihren Weg viel zu früh loslassen musste, trage ich ihren Sonnenschein in meinem Herzen. Voller Dankbarkeit, dass das Leben uns für einen Augenblick zusammengeführt hat.

Ich wünsche mir, dass mehr Menschen für einen Moment innehalten können, um die große Schönheit des Lebens, dieses einzigartige Geschenk, in sich aufzunehmen und ihm ein Lächeln zu schenken.

Sag, lächelst du gerade?

 

*Diesen Satz habe ich mal in einem Facebook-Post von Sonja Szielinski gelesen. Bei weiteren Recherchen habe ich herausgefunden, dass es ein Buch von Dr. Joe Dispenza dazu gibt, welches ich aber nie gelesen habe.

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